Knarrende Stufen in einem engen, dunklen Treppenhaus
einer einstmals gepflegten wilhelminischen Prachtvilla führen zum Atelier
des Künstlers Heinz-H. Wattenberg. Das Dachgeschoßatelier ist geräumig.
Durchgehende Zimmerfluchten heben das Gefühl der Enge auf. Ein Eisenofen,
alte Lichtquellen, verschieden angeordnete Fenster und ausgetretene Dielen,
sowie Maschinen des Druckgewerbes aus der Zeit der 1. technischen Revolution
vermitteln eine behagliche Atmosphäre, die getragen wird durch eine Vielzahl
von Aquarellen im Kleinformat, Grafiken, Radierungen, Öl hinter Glasbildern
und Zeichnungen, die Wände, Decken, Türen und Regale bekleiden und künstlerisch
verschönern- Farbpaletten, riesige Ölbilder, die geordnet im Winkel herumstehen,
grobe Tische und wenig Gestühl untermalen den Eindruck einer Welt, in
die sich der Künstler immer wieder zurückzieht, um seinen schöpferischen
Inspirationen Richtung, Gestalt und Inhalt zu geben.
Dazwischen der Künstler, in dunklen Tönen sportlich gekleidet, massig
und bärtig, korrekt, - und einsam. Freundlich empfängt er seine Gäste
- ein kultivierter Gastgeber. Wir Gäste werden nicht umgarnt, nicht gelenkt.
Fragen werden verhalten von ihm beantwortet. Die Bilder sollen aus sich
selbst heraus wirken. Geistige Interpretationsversuche sollen dem Besucher
überlassen bleiben. Christus in Öl auf Leinwand gemalt, eine frühe Arbeit
steht verloren in der Ecke. Kubistische Stilelemente, grau in grau gehalten,
schaffen Elemente der Angst. Christus ist grausam an das Kreuz genagelt,
wenn nicht das Gesicht die Sprache der Hoffnung und Angst in das Bewusstsein
der Beschauer prägen würde.
In Glaubensdingen neutralisiert, gibt
Heinz-H. Wattenberg keine Auskünfte über das farblich matte Bild. Seine
Aquarelle sind ihm lieb und wert. In leuchtenden Farben wird eine unwirkliche,
märchenhaft anmutende, verträumte Welt skizziert, lebend aus den Motiven
der Natur, Ereignissen und Erlebtem.
Ich meine, dass hier der wirkliche
Wattenberg zu finden ist, der aus der Realität, die er täglich zu bewältigen
hat, in die Sphäre des eigenen Ichs eintaucht. Alle diese Bilder haben
eine eigene Kraft der Aussage. Der Tod in der Natur, unsere von der Technik
beherrschte Welt, die Verlorenheit des Menschen, seine Kraft und Schwäche,
Beseeltheit und Armut, Trauer und Freude, alles dieses hat einen hinweisenden,
aber nie belehrenden, eher einen versöhnenden Charakter.
Wattenberg ist selbst kein "leuchtender Mensch". Etwas hintergründige
Schwermut, Güte auf dem Untergrund von Traurigkeit, gezügelte Spontanität,
viel Vernünftiges und Verdeckendes sind seine Wesenszüge. Philosophiert
er, findet er Zuhörer. Die auf ihn eingehen, denen öffnet er sein innerstes
Wesen. Da offenbart sich eine große Quelle großer Menschlichkeit, eines
sozial orientierten, Natur und Menschen liebenden Mannes, dessen gezügeltes
Innere dann durchbricht und dessen geistige Kraft transparent wird.
Wattenberg versucht die Epochen seiner
jahrzehntelangen malerischen Entwicklung nachzuvollziehen. Ohne inneren
Antrieb wechselt er nicht die Richtung seines Schaffens. Im Sinne eines
Getriebenseins bemüht er sich um Vervollkommnung seiner Werke. Er will
nicht kopieren, sich nicht anlehnen an Gewohntes, die Moderne. Keine Sachlichkeit,
schlichtweg sein eigenes Ich verwirklichen, ist ihm Anliegen.
Wattenberg malt die Welt in mosaiker Vielfalt, nicht anklagend, schon
gar nicht überbetont, eher im liebenswürdigen Detail oder vertraulichen
Dialog mit den Unfertigkeiten unserer Welt und seiner Menschen. Auf der
Suche nach seiner eigenen inneren Freiheit entfaltet er sich weiter, um
den Durchbruch zur genialen Gestaltung seiner Anliegen zu finden.
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